Der Mississippi durchquert mit seinen rund 3800 km Länge – zwischen seiner Quelle, dem Lake Itasca im Norden Minnesotas und seiner Einmündung in den Golf von Mexiko unterhalb von New Orleans – beinahe das gesamte Staatsgebiet der USA. Der Missouri, sein größter „Nebenarm“ erstreckt sich zusammen mit dem Unterlauf des Mississippis sogar über gut 6000 km und bildet das Flusssystem Mississippi-Missouri. Beide Einzelflüsse vereinigen sich nördlich von St. Louis zu dem gewaltigen Strom.
Der Mississippi-Missouri River beeindruckt aber durchaus nicht nur durch seine äußerlichen Dimensionen. Er ist vielmehr schon seit Jahrhunderten ein lebensspendender Quell für verschiedene Völker, deren Geschichten er beobachtet und erlebt hat, um sie nun für immer in sich zu tragen.
Die ersten Siedler im Mississippi-Gebiet waren die amerikanischen Ureinwohner, die ab dem 8. Jahrhundert begannen, eine der ersten nordamerikanischen Hochkulturen zu entfalten. Berühmte Indianderstämme wie die Ojibwe, die Cheyenne und die Sioux erbauten an seinen Ufern die ersten richtigen Städte in Nordamerika. Die bedeutendste dieser Städte war Cahokia in der Nähe von St. Louis und sie blieb es bis ins 19. Jahrhundert hinein. Man vermutet, dass die Indianer auch für die heutige Namensgebung des Mississippis verantwortlich sind. Ethymologisch lässt sich seine Bennenung auf mehrere Stammessprachen zurückführen, deren ursprüngliche Begrifflichkeiten aber fast immer auf die treffende Übersetzung „großer Fluss“ hinauslaufen.
Im Jahr 1541 traten dann die Spanier auf den Plan. Der Entdecker Hernando de Soto gab den Mississippi einen europäischen Namen: Rio des Espiritu Santo. Ob das weitere Wirken der Europäer im neuentdeckten Kontinent und ihr Umgang mit dessen ursprünglichen Bewohnern tatsächlich im Sinne des Heiligen Geistes gewesen ist, sei dahingestellt. Der Fluss selbst versorgte in seiner gleichmütigen Toleranz jedenfalls weiterhin alle Lebewesen, ob Spanier, Indianer, Pflanzen oder Tiere mit dem lebensbringenden Nass.
Im 18. Jahrhundert lieferten sich Spanier, Briten und Franzosen heiße Kämpfe um die Ufer des Flusses. Bis er 1803 endgültig vollständig zum Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten wurde, die sich inzwischen ihre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten erkämpft hatten, ist sicher nicht nur Wasser, sondern auch der ein oder andere Tropfen Blut durch die Adern des Mississippi-Missouri Rivers geflossen.
Der Mississippi hat aber nicht nur Kriege gesehen, sondern auch die spannende Entwicklung einer aufblühenden amerikanischen Zivilisation mit all ihren Neuerungen erlebt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Erfindung der Dampfmaschine für den Bau der ersten Schaufelraddampfer genutzt, die nun große Lasten und zahlreiche Passagiere den Flusslauf hinauf und hinunter transportieren konnten. Mit dem Einsatz der Raddampfer wurden neue Transportwege erschlossen. Der Mississippi und seine Uferstädte wurden zum pulsierenden Zentrum eines nicht mehr aufzuhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs. Vor allem der Transport von Baumwolle konnte nun sicher, kostengünstig und vor allem massenhaft über die Schifffahrt ermöglicht werden. Im gleichen Atemzug begannen berühmte Schriftsteller wie Mark Twain und Jack London den Fluss zum Schauplatz ihrer literarischen Abenteuer zu machen – vielmehr die Abenteuer der am und mit dem Fluss lebenden Menschen zu verschriftlichen.
Auch heute noch besitzt der Mississippi-Missouri eine bedeutende Funktion, insbesondere für die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten. Von der Wasserversorgung abgesehen bildet er immer noch einen der wichtigsten Transportwege, was ihm allerdings nicht immer mit guter Behandlung gedankt wird. Speziell im Mississippidelta kämpft der Fluss mit der, vorwiegend durch Düngemittelschadstoffe entstandenen, Wasserverschmutzung. Es sollte nicht vergessen werden, dass es nicht immer der Mensch ist, der derlei Kämpfe gewinnt. Die Jahrhundertflut im Mai 2011 demonstrierte die gewaltige Kraft des strömenden Wassers und sollte uns daran erinnern, dass auch die Natur eine Stimme besitzt, die manchmal nicht überhört werden kann. Und die Stimme des Mississippis besitzt einen uralten, gewaltigen, die Erlebnisse und den Geist von hunderten Generationen von Lebewesen miteinschließenden Klang, deren Geschichten man sich nicht entgehen lassen sollte.